Ausgangssituation und Problemstellung
Die chemische Industrie unterliegt seit Jahren einem einschneidenden Strukturwandel. Insbesondere in Deutschland zeigen sich die Veränderungen am Wandel von Einunternehmensstandorten hinzu Multiple-User Standorten also zu Chemieparks. Dabei stellen Chemieparks eine Resultierende von veränderlichen Unternehmensstrukturen dar. Einzelne Geschäftsbereiche oder Business Units werden ausgegliedert und ehemalige Vollsortimenter bzw. Chemiebetriebe mit einer, mehrere Segmente der chemischen Industrie umfassende Wertschöpfungskette, entwickeln sich hinzu Spezialanbietern. ALTANA Chemie und ALTANA Pharma, Bayer und LANXESS und der Aufgliederung des ehemaligen Hoechst Konglomerats sind prominente Beispiele. Außerdem fokussierten und fokussieren sich die Chemiebetriebe auf Kernkompetenzen und gliedern Dienstleistungen, Infrastrukturaufgaben, Ver- und Entsorgung aus. Als Folge lösten sich die einstigen Chemiestandorte auf. Dass die nunmehr rechtlich eigenständigen Einheiten doch an den ursprünglichen Standorten agieren lässt sich auf vier maßgebliche und sich gegenseitig beeinflussende Faktoren zurückführen:
- Immobilität der Anlagen,
- gemeinschaftliche Nutzung von unterstützenden Services,
- Interdependenzen innerhalb des Stoffverbunds und die
- Existenz der notwendigen Betriebserlaubnis.
Diese Faktoren können in unterschiedlicher Ausprägung dominieren; führten letztendlich in Summe zur
Entstehung von Chemieparks in Deutschland. Die Entstehung von Chemieparks ist demnach viel
weniger eine gesteuerte Handlung der Unternehmen sondern viel mehr eine Reaktion auf sich ändernde Umfeldbedingungen. Dies hat zum einen erheblich Auswirkungen auf Verbundstandorte, da die verzweigten Stoffverbünde nicht mehr nur zu einem Unternehmen gehören sondern in der Handmehrerer rechtlich eigenständiger Unternehmen sind.
Pioniere bei der Gründung von Industrieparks – ebenfalls meist aus der Not – waren Standorte im Osten Deutschlands, wo bereits Anfang der neunziger Jahre die ersten großen Parks auf ehemaligen Kombinationsstandorten in Bitterfeld und Leuna entstanden und wo heute mehrere hundert rechtlich selbstständige Unternehmen tätig sind. Die ursprünglichen Betreiber der Gesamtsstandorte sind heute häufig reine Servicegesellschaften, die selbst keine Produktion mehr unterhalten sondern sich auf die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Anlagen beschränken und weitere Serviceleistungen wie Wartung und Instandhaltung, Feuerwehr, Ver- und Entsorgung anbieten.
Greifen mehrere Unternehmen auf die Dienstleistungen von Infrastrukturanbietern zurück, lassen sich schneller Skaleneffekte erzielen, wovon sowohl Infrastrukturbetreiber als auch ansässige Chemieunternehmen profitieren.
Im außereuropäischen Umfeld ist die gezielte Ansiedlung von unterschiedlichen Unternehmen an dedizierten Standorten eine Folge von staatlich motivierten Standortinitiativen. Als Beispiel lässt sich der Chemiepark Jurong Island in Singapur anführen. Ein aktiver Aufbau von Infrastrukturen und die staatliche Förderung von Standortansiedelung führen hier zur Entstehung eines Multi-User Chemieparks auf „grüner Weise“.
Forschungsansatz
Die Befragung der unterschiedlichen Interessengruppen wird auf einer breiten empirischen Basisdurchgeführt und unterschiedliche Befragungstechniken eingesetzt. Hierzu zählen:
die exemplarische Analyse von mindestens 12 Chemieparks,
- Mindestens 6 Chemieparks in Deutschland,
- Mindestens 6 internationale Chemieparks und
die Befragung von mindestens 30-40 Experten aus
- Chemieunternehmen,
- Chemieparkbetreiber und
- Servicegesellschaften.
Eine internationale Fragebogenerhebung mit 600 Teilnehmern innerhalb der Interessengruppen Chemieunternehmen, Chemieparkbetreiber und Servicegesellschaften lässt Trends erkennen.
Forschungsfragen und zu erwartende Ergebnisse
Basierend auf den unterschiedlichen Entwicklungshistorien und Ausprägungen der Strukturparameter
ergeben sich für die empirische Untersuchung unterschiedliche Fragestellungen.
Zunächst wird die internationale Chemieparklandschaft in Cluster gegliedert. Hierzu werden spezifische Einflussgrößen wie die Entstehungsgeschichte, die ansässigen Unternehmen, das Dienstleistungsportfolio und die rechtliche Ausgestaltung empirisch untersucht und zu charakteristischen und relevanten Strukturtypen verdichtet.
Darauf aufbauen werden
- Anforderungen der Unternehmen und Chemieparkbetreiber,
- differenzierte Erfolgsfaktoren,
- Entwicklungsszenarien und zukünftige Leistungsangebote,
- politisch-rechtliche Rahmenbedingungen und Anpassungsbedarf sowie
- neue Standortbetreibermodelle und deren Gestaltungsoptionen
untersucht.
Diplom- und Projektarbeiten
Für interessierte Studenten ergibt sich die Möglichkeit im Rahmen von Projekt- und Diplomarbeiten an der Erstellung des Forschungsberichts mitzuarbeiten.
Im Bereich des Forschungsprojektes hat das Forschungsinstitut für Betriebswirtschaftslehre –
Unternehmensführung, Logistik und Produktion verschiedene Diplom-/ Bachelor- und Masterarbeiten zu vergeben.
Studien und Literatur
Die Zukunft des Chemiestandorts Deutschland, Horst Wildemann, 2008 in TCW Verlag
Stadtwerke, Erfolgsfaktoren europäischer Infrastruktur- und Versorgungsdienstleister, Horst
Wildemann, 2009 in TCW Verlag
Ansprechpartner:
- Jesco Gumprecht
- Thorsten Lützeler