Forschungsinstitut für Unternehmensführung, Logistik und Produktion
TUM School of Management
Technische Universität München

Reifegradbasiertes QM in F&E für disruptive Technologien am Beispiel E-Mobility

Entwicklung eines reifegradbasierten Qualitätsmanagements
für disruptive Technologien in F&E-Netzwerken am Beispiel
der Forschungs- und Entwicklungsprozesse im E-Mobility-Umfeld

Gegenwärtiger Stand der Forschung

Disruptive Technologien sind Technologien, die einen bekannten Pfad der Leistungsverbesserung in etablierten Kriterien unterbrechen und neue Leistungsdimensionen abdecken. Da die Entwicklung disruptiver Technologien im Umfeld der Elektromobilität umfassendes, bislang branchenfremdes Know-how erfordert, sind zunehmend F&E-Kooperationen zu erwarten, auch zwischen Unternehmen, die bisher nicht in der Automobil- und Zulieferindustrie aktiv waren. In der Literatur sind Ausprägung und Konfiguration des QM in F&E mit unterschiedlichen Aspekten diskutiert. In der Praxis der Automobil- und Zulieferindustrie haben sich Konzepte und Methoden des Qualitätsmanagements bereits vielfach etabliert und bewährt. Jedoch bieten diese Ansätze noch keine Handlungsempfehlungen für ein übergreifendes integriertes Qualitätsmanagement für die besonderen Herausforderungen disruptiver Technologien. Im Hinblick auf branchenübergreifende Kollaborationen werden insbesondere dem Wissensmanagement und seinen Wechselwirkungen zum QM hohe Bedeutung beigemessen. QM benötigt Wissensmanagement zur Verbreitung von Inhalten, wohingegen Wissensmanagement das QM zur strukturierten Gewinnung relevanter Daten voraussetzt.

Weiterhin ist der Erfolg disruptiver Technologien im Markt nur schwer ermittelbar. Der wirtschaftliche Erfolg von Produkten muss daher bereits in der Produktentstehungsphase durchgeeignete Methoden und Konzepte zielgerichtet eingeleitet werden. Im Rahmen eines Reifegradmodells können diese Zielvorgaben an gezielten Messpunkten bewusst abgefragt und deren Reifeausprägung bestimmt werden. Entgegen dem herkömmlichen Reifegradansatz verfolgt dieses Forschungsvorhaben damit keine reine Prozessbetrachtung. Vielmehr soll in dem zu erarbeitenden Reifegradmodell der Prozessgedanke um die Technologiereife oder die Reife desherzustellenden Produkts erweitert werden. Die Ausgestaltung eines geeigneten Qualitätsmanagements in F&E weist dabei spezifische Anforderungen auf, welche die Besonderheiten der unternehmensübergreifenden F&E-Prozesse, die spezifischen Charakteristika disruptiver Technologien sowie unterschiedliche Formen von Entwicklungskooperationen berücksichtigen.

Problemstellung

Im Rahmen des Forschungsvorhabens soll ein reifegradbasiertes Qualitätsmanagement (QM) für
disruptive Technologien in F&E-Netzwerken entwickelt werden. Durch den aktuellen Wandel der
Automobilindustrie durch die disruptive Technologieentwicklung zur Elektromobilität ist diese Branche prädestiniert als Betrachtungsgegenstand für des Forschungsvorhaben. Disruptive Innovationen zeichnen sich durch eine zunächst geringere Funktionalität als bestehende Produkte aus, können jedoch langfristig mit diesen konkurrieren und eine dominierende Position im Markt übernehmen. Durch disruptive Technologien im Umfeld der Elektromobilität werden sich die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der Automobilindustrie maßgeblich verändern. Da diese Technologien umfassendes, bislang branchenfremdes Know-how erfordern, ist mit einer steigenden Zahl von Unternehmenskooperationen zu rechnen. In der Industrie wird die Produkt und Technologieentwicklung oftmals in Reifegraden abgebildet. Im Rahmen des Forschungsvorhabens soll untersucht werden, ob dieser Ansatz auch für disruptive Technologien Validität beweist. Es ist zu erwarten, dass diese, auf evolutionäre Technologien ausgelegten Produktentwicklungspfade angepasst werden müssen. Eine Anpassung des Produktentstehungsprozesses(PEP) wird unausweichlich, da die bestehende F&E-Strukturen die Anforderungen der disruptiven Technologieentwicklung nicht abbilden können. Diese notwendige Prozessveränderung wird von der Reife der Technologie, den angepassten Produktentwicklungspfaden oder der Struktur der Entwicklungsnetzwerke hervorgerufen. Da disruptive Technologien einen akuten Handlungsbedarf aufzeigen, wird im Rahmen dieses Forschungsprojektes ein Reifegradmodell entwickelt, welches die notwendigen Prozessanpassungen der F&E stufenweise abbildet. Hierbei ist ein Messkonzept
zu hinterlegen, welches die Qualität der Entwicklungsleistung und der F&E-Prozesse abzubilden vermag. Auf diese Weise ermöglicht das Reifegradmodell eine sukzessive Qualitätssteigerung der F&E-Prozesse beziehungsweise im gesamten PEP.

Es ergibt sich daraus ein dringender Forschungsbedarf, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie im Wandel zur E-Mobility nachhaltig zu stärken. Im Rahmen des Vorhabens ergeben sich daraus folgende Forschungsfragen:

  • Welche Besonderheiten ergeben sich durch disruptive Technologien in der Vernetzungdezentraler Entwicklungspartner?
  • Welche Einflussgrößen bestimmen das Qualitätsmanagement in F&E-Netzwerken zur Entwicklung disruptiver Technologien?
  • Welche Methoden und Konzepte des Qualitätsmanagements sind zur Senkung der Risikenbei F&E von disruptiven Technologien zielführend und welche betriebswirtschaftlichenEffekte können damit erzielt werden?
  • Wie ist die Qualität im Kontext der Entwicklung von disruptiven Technologien in F&E Netzwerken am Beispiel der Forschungs- und Entwicklungsprozesse im E-Mobility-Umfeld zu messen?
  • Welche Kennzahlen werden für diese speziellen Anforderungen an das Qualitätsmanagement benötigt?
  • Wie beeinflusst die Produkt- und Technologiereife das Qualitätsmanagement der F&E Prozesse?
  • Wie kann der Prozessfortschritt in dem dezentralen F&E-Netzwerk gemessen und sichergestellt werden?
  • Wie lässt sich der Reifegrad in ein Messsystem für das Qualitätsmanagement für die Entwicklung disruptiver Technologien einbinden?
  • Welche typspezifischen Handlungsempfehlungen sind je nach Technologie und Prozessreife zu verfolgen?

Ziel des Forschungsprojektes und erwartete Ergebnisse

Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, durch die Entwicklung eines reifegradbasierten Qualitätsmanagements den Produktentstehungsprozess (PEP) von hochinnovativen Produkten mit
disruptiven Technologien in der F&E zu beschleunigen und Abweichungskosten zu minimieren, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobil und Zulieferindustrie im Bereich E-Mobility zu sichern.

Die angestrebten Forschungsergebnisse dienen der Erarbeitung eines Qualitätsmanagementsystems zur Sicherung des Produktentstehungsprozess von disruptiven Technologien in F&E Netzwerken und manifestieren sich sowohl in Gestalt eines integrierten Produkt- als auch Prozessreifegradmodells. Ermöglicht wird dies durch den Einsatz von Qualitätsmanagementmethoden und -konzepten , welche die charakteristische Problemstellung der einzelnen Unternehmen ebenso berücksichtigen wie die Herausforderungen der einzelnen Reifegradstufen von Entwicklungsprozessen und der Technologie zwischen der ersten Produktidee bis hin zur Serienreife. Als wesentliche Gestaltungsaspekte werden in dem zu erarbeitenden Modell die organisatorische Gestaltung von QM in F&E, der Erfahrungsaustausch in dezentralen F&E Netzwerken, die kundenorientierte Produktgestaltung bei E-Mobility sowie ein reifegradbasiertes Messkonzept für die Qualität betrachtet. Ziel des Modells ist es, zu einer Steigerung der Innovationsleistung und der Zukunftsfähigkeit der F&E-Prozesse beizutragen. Insgesamt werden fünf Kernergebnisse in dem Forschungsvorhaben angestrebt:

  • Identifikation und Adaption von Konzepten und Methoden zur Qualitätssicherung des Produktentstehungsprozesses von disruptiven Technologien
  • Reifegradmodell der Technologie- und Prozessreife
  • Typspezifische Handlungsempfehlung zur Qualitätssicherung in der Entwicklung von disruptiven Technologien
  • Implementierungskonzept für ein reifegradbasiertes Qualitätssicherungskonzept im E-Mobility-Umfeld
  • Tool als Unterstützungsinstrument des Wissenstransfers in die Praxis

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